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Titel
Das Reich und Polen. Parallelen, Interaktionen und Formen der Akkulturation im hohen und späten Mittelalter


Herausgeber
Wünsch, Thomas
Reihe
Vorträge und Forschungen - Tagungsbände 59
Erschienen
Ostfildern 2003: Jan Thorbecke Verlag
Anzahl Seiten
504 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Eberl Immo

Nachdem der Konstanzer Arbeitskreis 1975 den Band «Die deutsche Ostsiedlung als Problem der europäischen Geschichte» veröffentlicht hatte, der den Perspektivenwechsel in der Betrachtung der deutschen Ostsiedlung endgültig festschrieb, wendet sich der vorliegende Band neuerlich dem europäischen Osten zu. Er knüpft methodisch an den 2002 von Joachim Ehlers herausgegebenen Band mit den Vorträgen der beiden Reichenau-Tagungen von 1999 mit dem Titel «Deutschland und der Westen Europas im Mittelalter» an. Im Unterschied zum deutschfranzösischen Verhältnis seit dem 19. Jahrhundert ist dieses im deutsch-polnischen Verhältnis erst noch mit genauen Inhalten zu füllen. Daher ist die Beschränkung des vorliegenden Bandes auf Polen von Vorteil und könnte für weitere Länder Osteuropas vorbildhaft werden. Der Band will Kriterien für die Analyse des kulturellen Wandels vorstellen und an ausgewählten Sachkomplexen der deutschen und der polnischen Geschichte überprüfen. Dabei wird eine Beschränkung auf nur teilweise Abdeckung von Themen bewusst hingenommen, um ein möglichst grosses Spektrum behandelter Themen vorzuführen.

Von den insgesamt 15 Beiträgen des Bandes sind elf von polnischen und vier von deutschen Gelehrten vorgestellt, wobei zu letzteren als fünfte die Zusammenfassung hinzukommt. Die künstlerischen Beziehungen zwischen Polen und dem Reich im späten Mittelalter werden am Beispiel der Verbindung zwischen Krakau und Süddeutschland abgehandelt (Adam S. Labuda). Die Expansion und Hegemonie in der Aussenpolitik im östlichen Mitteleuropa wird am Beispiel von Polen und Halicˇ -Volyn‘ bis 1387 vorgestellt (Christian Lübke), ebenso Polens Stellung im ostmitteleuropäischen Mächtesystem im späten Mittelalter (Jörg K. Hoensch). Die «Libertas ecclesiae» und die landesherrliche Gewalt werden zwischen dem Reich und Polen verglichen (Winfried Irgang). Mit Opole, Centena, pagus wird versucht Landgemeinde und Territorialverwaltung Polens zu erfassen (Karl Modzelewski). Die polnischen Hofämter, Landesämter, Staatsämter und ihre Hierarchien werden im mitteleuropäischen Vergleich vom 11. bis 15. Jahrhundert aufgezeigt (Janusz Kurtyka). Eine Untersuchung der Kirchen im Deutschordensland Preussen 1243–1525 will deren innere Struktur und den Beziehungen zum Landesherren nachgehen (Andrzej Radzimin´ ski). Die Untersuchung der Migration deutscher Ritter nach Polen (Tomasz Jurek) geht der Darstellung der höfischen Kultur und ritterlichen Lebensformen in Polen vor dem Hintergrund der europäischen Entwicklung (Wojciech Iwan´ czak) voraus. Die Untersuchung der intellektuellen Staatsbediensteten in Polen folgt (Krzysztof Oz˙óg) ebenso die wissenschaftlichen Kontakte zwischen dem Reich und Polen im späten Mittelalter (Mieczyslaw Markowski). Die Kirchengeschichte wird in der Behandlung der schlesischen und polnischen Klosterkultur aufgenommen (Marek Derwich) und mit der Untersuchung der Kultbeziehung zwischen dem Reich und Polen (Thomas Wünsch) fortgesetzt.

Zwei Beiträge befassen sich mit ethnischen Problemen: Zuerst der der ethnischen Gruppenbildung gewidmete Beitrag (Andrzej Janeczek) und zum anderen der Beitrag Assimilation, Widerstand und die Entwicklung ethnischer Gruppen im mittelalterlichen Polen als europäisches Paradigma (Piotr Górecki). Alexander Patschovsky fasst die Beiträge des Bandes zusammen und stellt Parallelen, Interaktionen und Formen der Akkulturation im hohen und späten Mittelalter zwischen dem Reich und Polen fest. Dabei sieht er zwei Komplexe, den politisch-institutionellen-sozialen und den kulturellen, die wiederum jeweils in mehrere Einzelteile zerfallen. Das Fazit des ersten Komplexes ergibt einen tiefen Einschnitt in der polnischen Verwaltung im 14. Jahrhundert, als die Kastellaneiverfassung durch die Staats- und Gerichtsbezirksverfassung abgelöst wurde. Obwohl diese Reform eine polnische Eigenart darstellt, war der dadurch ausgelöste Modernisierungsschub in Richtung auf herrschaftliche Verdichtung eine europäische Gesamterscheinung, die Polen in den europäischen Kulturraum einbindet. Der zweite kulturelle Komplex beweist ebenso deutlich die Einbindung Polens in diesen europäische Kulturraum, wobei die nationalstaatlichen Eigenheiten eindeutig zurückbleiben. Der Band hat zahlreiche Entwicklungen, die in ihrer Ähnlichkeit und Gleichförmigkeit das Reich und Polen verbinden, deutlich herausgearbeitet und vor allem die westliche Anbindung Polens bereits im Mittelalter an den europäischen Raum gezeigt. Damit wird auch auf historischer Grundlage eine Begründung für den Eintritt Polens in die EU gegeben.

Zitierweise:
Immo Eberl: Rezension zu: Das Reich und Polen. Parallelen, Interaktionen und Formen der Akkulturation im hohen und späten Mittelalter. Unter Mitwirkung von Alexander Patschovsky hg. von Thomas Wünsch (Vorträge und Forschungen, Band 59). Ostfildern, Jan Thorbecke Verlag, 2003. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 55 Nr. 2, 2005, S. 246-247.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 55 Nr. 2, 2005, S. 246-247.

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